Teresa Glaab (2020)

Language Awareness

Erläuterungen zumBedeutungsumfang des Begriffes im Kontext sprachsensiblenArbeitens

 

1. Erste Annäherung anden BegriffLanguage Awareness

Der ursprünglich aus dem britischen Raumstammende Ansatz findet in der deutschsprachigen Literaturdie beiden Entsprechungen Sprachbewusstheit(vgl. Wolff 1997)oder Sprachenaufmerksamkeit (vgl. Oomen-Welke 2016), die bereits einen Bezug zum sprachsensiblen (vgl. Leisen 2013) oder auch sprachbewussten (vgl. Michalak 2015) Fachunterricht nahelegen. Das mittlerweileauch im britischen Raumetwas unübersichtlich gewordene Spektrum an Language Awareness-Ansätzen (vgl. Luchtenberg 2017. S.150) umfasst sowohl mehrsprachige (vgl. Budde 2012, Oomen-Welke 2016) wieaucheinsprachige Implikationen(vgl. Burkard 2019).
Ansätze, die eher eine mehrsprachige Sprachbewusstheit in den Blick nehmen, haben sowohl zum Ziel „ein Interesse an Sprachen zu wecken und die Akzeptanz sprachlicher Vielfalt zu erreichen“ (Elsner, Lohe 2015, S.31) als auch eine Förderung der sprachlichen Kompetenz in mehreren Sprachen zu erzielen und im Sinne der Interdependenzhypothese (vgl. Cummins 1982) positive Effekte in Form von Interferenzen für die Sprachentwicklung nutzbar zu machen.
In der expliziten Auseinandersetzung mitnureiner Sprache können alle Teilbereiche von Sprache in den Fokus treten, wie z.B. phonologische, morphosyntaktische, semantische oder auch pragmatische Aspekte (vgl. Niebuhr-Siebert, Baake 2014: 129). Sie alle verbindet der focus on form(s) (vgl. Michalak, Ulrich 2018, S.128), also dieZuwendung zur Formseite von Sprache im Sinne eines metasprachlichen Bewusstseins.

2. Genese des Begriffes Language Awareness

Der Begriff LA tauchtbereits 1975 im Bullock-Report auf (vgl. Bullock Committee of Inquiry, S.64), der aus der heutigen Perspektive den Forderungen einer durchgängigenSprachbildung (vgl. Gogolin 2011) nahekommt. Eine bewusste Auseinandersetzung mit sprachlichen Strukturen und Funktionen soll demnach Bestandteil aller Fächer werden, um die sprachlichen Kompetenzen von Schüler*innen zu verbessern (vgl. Elsner, Lohe 2015, S.31). Die Grundannahme der Autor*innen ist, dass ein Vorankommen in Schule und Beruf maßgeblich von sprachlichen Kompetenzen bestimmt wird (vgl. Bullock Committee of Inquiry 1975: The Bullock Report, S.3).
Entsprechende fachdidaktische Ansätze, die sich diesem Gedanken verschreiben,folgen dann in den 90er Jahren. Eine erste Veröffentlichung stammt vonHawkins mit seiner Monografie Awareness of Languageaus dem Jahr 1991, dessen Ausführungen vonFairclough mit Critical Awareness of Language 1992 um den Aspekt von kulturellen Bezügen und dieThematisierung von Macht(-missbrauch) durch Sprache (vgl. Luchtenberg 2017, S.151, Tajmel, Hägi-Mead 2017, S.9)erweitert werden. Ein ganzheitlicherZugang findet sich beiJames und Garret 1992, die den Gedanken einer Sprachbewusstheit in fünf Teilbereicheausdifferenzieren. Diese sehr weit gefasste Perspektive auf LAbefasst sich mit folgenden Domänen von Sprache:

kognitive Domäne:Die Beschäftigung mit Sprachstrukturen, -regelnund -mustern.

Domäne der Performanz: Die Anwendung dieses expliziten,kognitiven Wissens.

Machtdomäne: Das gesellschaftliche Ansehen von Sprache und sprachlichen Varietäten sowiedie Bewusstmachungder Manipulationskraft von Sprache.

soziale Domäne: Die Entwicklung von Akzeptanz und Toleranz für verschiedene Sprachenund deren Varietäten.

affektive Domäne: Die Reflexion des emotionalen Bezugs zu Sprache(n) und die Förderung einer positiven Einstellung zu und Neugier auf Sprache(n).(Übersicht nachLuchtenberg 2017, S.151 f.;Elsner, Lohe 2015, S.32).

Eine zentrale Rolle für die Entwicklung und Verbreitung des Ansatzes im internationalen Kontext spielt die Gründungder Association of Language Awareness(ALA) im Jahre 1994.

3. Einfluss des Language Awareness-Ansatzes auf den sprachsensiblen Fachunterricht

Der LA-Ansatz hat auf unterschiedlichen Ebenen Einfluss auf die Forschungen zum sprachsensiblen Fachunterricht genommen. Hierzu gehören zum einen die einsprachigen wie auch die mehrsprachigen Implikationen des Ansatzes, die sich auf Schüler*innen sowie Fachlehrkräfte beziehen.
Was die einsprachigen Implikationen anbelangt,istder bewusste Umgang mit Sprache und die Reflexion sprachlicher Äußerungenim Fachunterrichtzunennen. Dies wird schon am Begriff des „sprachbewussten Unterrichtes“sichtbar(vgl. Michalak, Lemke, Goeke 2015; Tajmel, Hägi-Mead 2017;Oomen-Welke 2016). Um bildungssprachliche Kompetenzenaufzubauen, werden syntaktische und semantische Besonderheiten von bildungs-und fachsprachlichen Aussagen herausgearbeitet. Beispiele der konkreten Anwendung des Language Awareness-Ansatzes auf sprachsensible Förderkonzepte finden sich entsprechend in der Literatur (vgl. Budde 2012; Gürsoy 2010). So schlägt zum Beispiel Burkard vor, den Language Awareness-Ansatz für den Ethik-bzw. Philosophieunterricht zu nutzen, indem semantische Unterschiede zwischen dichten und dünnen Begriffen-wie unmenschlich oder falsch-in ethischen Argumentationen herausgearbeitet werden, um so normierende von beschreibendenBegründungen zu unterscheiden (vgl. Burkard 2019, S.126-131).
Bei der Berücksichtigung mehrsprachiger Dimensionen von Sprachbewusstheitfinden sich in der Literatur weniger Anknüpfungspunkte für den sprachsensiblen Fachunterricht. Dies liegt nicht zuletzt in der Tatsache begründet, dass Deutsch die im Fachunterricht benötigte Unterrichts-und Zielsprache ist (vgl. Peuschel, Burkard 2019: 98). Ansätze hierzu lassen sich jedoch in bilingualen Schulmodellen finden;so können zum Beispielzusätzliche Sprachkenntnisse für die Recherche im Fach herangezogen oder auch fachliche Gruppendiskussionen für andere Sprachengeöffnet werden (vgl. ebd). Insbesondere in den geisteswissenschaftlichen Fächern kann die Multiperspektivität auf Wirklichkeit, die durch die divergierenden Ausdrucksmöglichkeiten verschiedener Standardsprachen zum Ausdruck kommt, eine Bereicherung sein. Eine weitere interessante Anschlussmöglichkeit findet sich in der plurilingualen, also mehrsprachigen,Schreibdidaktik(vgl. Hornung 2002), die fürdie Förderung von Textkompetenz nutzbar gemacht werden (vgl.Schmölzer-Eibinger 2011, S.193)und unter Einbezug verschiedener Sprachen dem Aufbau von Bildungssprache dienen kann.

Literatur

Association for Language Awareness (2012): Definition of Language Awarenss. Online verfügbar unter http://www.languageawareness.org/?page_id=48, zuletzt geprüft am 14.11.2019.
Budde, Monika (2012): Über Sprache reflektieren. Unterricht in sprachheterogenen Lerngruppen. Kassel: Institut zur Weiterbildung in Deutsch als Fremdsprache an der Universität Kassel.
Bullock Committee of Inquiry (1975): The Bullock Report. A language for life. Hg. v. Her Majesty’s Stationery Office. London. Online verfügbar unter http://www.educationengland.org.uk/documents/bullock/bullock1975.html, zuletzt geprüft am 14.11.2019.
Burkard, Anne (2019): Sprachbewusstheit im Philosophieunterricht fördern: Reflexion der Begriffsverwendung in evaluativnormativen Argumenten. In: Peuschel, Kristina; Burkard, Anne (Hg.): Sprachliche Bildung und Deutsch als Zweitsprache in den geistes- und gesellschaftswissenschaftlichen Fächern. Tübingen: Narr Studienbücher.
Cummins, James (1982): Die Schwellen-und die Interdependenzhypothese: Erklä-rungen zum Erfolg zweisprachiger Erziehung. In: Swift, James (Hg.): Bilinguale und multikulturelle Erziehung. Würzburg: Königshausen und Neumann, S. 34–43.
Elsner, Daniela; Lohe, Viviane (2015): Language Awareness. Förderung von
Sprachbewusstheit. In: Grundschulmagazin Englisch 13 (1), S. 31–34.Fairclough, Norman (Hg.) (1992): Critical Language Awareness. London: Longman.
Gogolin, Ingrid (2011): Durchgängige Sprachbildung. Qualitätsmerkmale für den Unterricht. Münster: Waxmann.
Gürsoy, Erkan (2010): Language Awareness und Mehrsprachigkeit. Online verfügbar unter https://www.uni-due.de/imperia/md/content/prodaz/la.pdf, zuletzt geprüft am 27.11.2019.
Hawkins, Eric W. (1984): Awareness of language. An introduction. Cambridge: Cambridge Univ. Pr.
Hornung, Antonie (2002): Zur eigenen Sprache finden. Modell einer plurilingualen Schreibdidaktik. Tübingen: Niemeyer.
James, Carl; Garrett, Peter (1991): The scope of language awareness. In: James, Carl; Garrett, Peter (Hg.): Language awareness in the classroom. London: Longman (Applied linguistics and language study), S. 3–20.
Leisen, Josef (2013): Handbuch Sprachförderung im Fach. Sprachsensibler Fachunterricht in der Praxis. Stuttgart: Ernst Klett Sprachen.
Luchtenberg, Sigrid (2017): Language Awareness. In: Bernt Ahrenholz, Ingelore OomenWelke und Winfried Ulrich (Hg.): Deutsch als Zweitsprache. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren, S. 150–162.
Michalak, Magdalena; Lemke, Valerie; Goeke, Marius (2015): Sprache im Fachunterricht. Eine Einführung in Deutsch als Zweitsprache und sprachbewussten Unterricht.Tübingen: Narr Studienbücher.
Michalak, Magdalena; Ulrich, Kristin (2018): Zwischen Sprachreflexion und Grammatikvermittlung. In: Zeynep Kalkavan-Aydın (Hg.): DaZ/DaF Didaktik. Praxis-handbuch für die Sekundarstufe I und II. Berlin: Cornelsen, S. 117–133
Niebuhr-Siebert, Sandra; Baake, Heide (2014): Kinder mit Deutsch als Zweitsprache in der Grundschule. Stuttgart: W. KohlhammerVerlag.
Oomen-Welke, Ingelore (2016): Mehrsprachigkeit –Language Awareness –Sprachbewusstheit. Eine persönliche Einführung. In: Zeitschrift für Interkulturellen Fremdsprachenunterricht 21.2, S. 5-12.
Peuschel, Kristina; Burkard, Anne (2019): DaZ, Sprachbildung und der geistes-und gesellschaftswissenschaftliche Unterricht. In: Peuschel, Kristina; Burkard, Anne (Hg.): Sprachliche Bildung und Deutsch als Zweitsprache in den geistes-und gesellschaftswissenschaftlichen Fächern. Tübingen: Narr Studienbücher, S. 53–102.
Schmölzer-Eibinger, Sabine (2011): Lernen in der Zweitsprache. Grundlagen und Verfahren der Förderung von Textkompetenz in mehrsprachigen Klassen.Tübingen: Narr Studienbücher.
Tajmel, Tanja; Hägi-Mead, Sara (2017): Sprachbewusste Unterrichtsplanung. Prinzipien, Methoden und Beispiele für die Umsetzung. Münster, New York: Waxmann.
Wolff, Dieter (1997): Zur Förderung von Sprachbewußtheit und Sprachlernbewußtheit im bilingualen Sachfachunterricht. In: Fremdsprachen lehren und lernen (26), S. 167–183.

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