Eike Thürmann (2019)
Operator
1. Definition des Begriffs
Als Operatoren werden im schulpädagogischen Bereich Verben und Funktionsverbgefüge bezeichnet, die wissensgenerierende Lernhandlungen und damit die Bearbeitung von Lernaufgaben initiieren, lenken und strukturieren. Sie grenzen die Wahl von Mitteln und Methoden ein, die Lernende für die Lösung eines Problems anwenden, um ein bestimmtes Ergebnis herzustellen. In der aktuellen Bildungsdebatte haben Operatoren eine Schlüsselfunktion (a) für die Festlegung von Lehr- und Lernzielen und curricularen Standards, (b) für die Gestaltung einer neuen Aufgabenkultur im Unterricht und in den einschlägigen Lehr- und Lernmedien, um Kompetenzerwerb und Kompetenzentwicklung zu fördern, und (c) für die Konzeption von Diagnose- und Leistungs- bzw. Prüfungsaufgaben, mit denen Kompetenzen festgestellt bzw. bewertet werden und mit denen die Erfüllung von Standards überprüft wird. Operatoren sind demnach Signalwörter, die Lernende auf typisierte Lernhandlungen (analysieren, interpretieren, zusammenfassen, beschreiben, erklären, Stellungbeziehenetc.) verweisen, mit denen Bezüge zwischen fachspezifischen Inhalten, kognitiven Operationen und sprachlichtextuellen Prozeduren und Darstellungsformaten hergestellt werden, z. B. Skizzieren Sie den Aufbau eines Zyklotrons, und erklären Sie dessen Funktionsweise.
Die Bewältigung von Lern- und Leistungsaufgaben kann nur dann erfolgreich sein, wenn Lehrende auf der einen Seite und Lernende auf der anderen ein gemeinsames Verständnis davon haben, welche kognitiven Operationen und literalen Handlungen in welcher Schrittfolge für den jeweiligen Operator konstitutiv sind und wie sich die Operatoren in ihrer Bedeutung gegeneinander abgrenzen. Welche konkreten kognitiven und sprachlichen Leistungsanforderungen von bestimmten Operatoren abverlangt werden, lässt sich an der Bedeutung der Operatorenwörter, mit denen die Schüler(innen) im umgangssprachlichen Gebrauch meist vertraut sind, nicht im Einzelnen ableiten. Vielmehr verlangt der kompetente Umgang mit Operatoren vertiefte bildungssprachliche Reflexion und Übung, also eine sprachsensible unterrichtliche Erarbeitung und zwar nicht nur in den sprachlichen Fächern, sondern in allen Fächern und Lernbereichen. Auf diesem Wege werden vor allem für Lernende, die nicht mit Deutsch als Erstsprache aufwachsen und/oder aus bildungsprekären Familien stammen, Türen zu erfolgreichen Bildungsabschlüssen geöffnet.
2. Darstellung der Forschungs- und der schulpraktischen Diskussion
Von einem kompetenten Umgang mit Operatoren wird erwartet, dass diese Transparenz bezüglich des anzustrebenden Zielzustandes von kognitivliteralen Problemlösungshandlungen herstellen und auf Methoden und Arbeitsschritte verweisen, wie dieser zu erreichen ist. Studien zur Formulierung von Lehr- und Lernzielen in curricularen Dokumenten (Richtlinien, Kernlehrpläne, schuleigene Arbeitspläne) sowie von Aufgabenstellungen in Lehrwerken weisen jedoch für alle Fächer einen relativunbekümmerten und wenig reflektierten Umgang mit Operatoren nach, s. Donnerhack, Berndt, Thürmann & Vollmer (2013), Sorger & Reitbrecht (2018):
- offene extrem umfangreiche Inventare von handlungsanweisenden Verben und Verbverbindungen
- häufiges Vorkommen von (Teil-)Synonymen
- oft keine konkreten Anhaltspunkte hinsichtlich der damit erwarteten sprachlichen Handlungen bzw. Formate (z.B. stellefest, untersuche, ordneein)
- mangelnde Abstimmung der Bedeutungen vieler Operatoren zwischen den Fächern
- keine Abstufung nach Komplexität, Schwierigkeit und Vorwissen.
Mit der Wende zur Outcome-Steuerung und kompetenzbasierten Bildungsstandards sowie zur zentralen Steuerung von Aufgaben und Bewertungssystemen in highstake Tests und Prüfungen – vor allem in den Einheitlichen Prüfungsanforderungen in der Abiturprüfung (EPA) bzw. Matura in Österreich – haben sich Bildungsbehörden um stärkere Normierung von Leistungsaufgaben und damit auch um einen geregelten Umgang mit Operatoren bemüht, um Transparenz, Vergleichbarkeit und Qualität fachlicher Anforderungen abzusichern. Resultat ist eine fachspezifische Kanonisierung für die schriftliche und mündliche Abiturprüfung in Form von Operatoren-Listen mit Kurzdefinitionen, die länderspezifisch auf der Grundlage von Empfehlungen der KMK abgefasst werden, z.B.
Physik
Operation | Definition | AFB-Bandbreite |
angeben, nennen | Objekte, Sachverhalte, Begriffe, Daten ohne nähere Erläuterungen, Begründungen und ohne Darstellung von Lösungsansätzen oder Lösungswegen aufzählen | I |
begründen | Aussagen oder Sachverhalte unter Nutzung physikalischer Zusammenhänge logisch stringent und vollständig bestätigen | II–III, vorw. III |
bestimmen, ermitteln | Zusammenhänge bzw. Lösungswege darstellen und Ergebnisse formulieren | II–III, vorw. II |
beurteilen | zu Sachverhalten ein selbstständiges Urteil unter Ver-wendung von Fachwissen und Fachmethoden formulie-ren und begründen | III |
Abb. 1: Übersicht über die Operatoren für das Fach Physik (Ausschnitt).1
Diese Regelungen, die auch den Versuch der Zuordnung zu den drei prüfungsrelevanten Anforderungsbereichen (Reproduktion, Transfer/Reorganisation, Reflexion/Problemlösung) beinhalten, sind sicherlich eine Hilfe für Lehrende und Lernende, sich über konkrete kognitivsprachliche Leistungsanforderungen zu verständigen und Zielkompetenzen anzubahnen. Dennoch sind damit noch vielerlei Probleme verbunden:
- Eine eindeutige Zuordnung zu den Anforderungsbereichen ist nicht gewährleistet.
- Eine theoretischkonzeptuelle Fundierung im Sinne eines Referenzrahmens für Kategorien des sprachlich realisierten Denkens und Strukturierens von Wissen – etwa in Anlehnung an Krathwohl ́s (2002) Überarbeitung der Bloom ́schen Taxonomie oder an grundlegende Diskursfunktionen z.B. bei Vollmer & Thürmann (2010) – ist nicht gegeben.
- Häufig bezeichnen Operatoren kognitive „Handlungen“, verschweigen aber die Art der sprachlichen Realisierung (z.B. stelle fest, untersuche). Die textuellsprachlichen Leistungen bzw. die Eigenschaften des Zieltextes lassen sich nur selten aus den Kurzdefinitionen ableiten.
- Einzelne Operatoren werden von Fach zu Fach unterschiedlich definiert.
- Über alle Fächer und Lernbereiche hinweg ist die Menge der für Prüfungen vorgesehenen Operatoren zu umfangreich und beeinträchtigt damit das Erlernen kognitivsprachlicher Handlungsmuster.
3. Fazit
Mit Blick auf den Unterstützungsbedarf von Lernenden aus bildungsdistanten Lebenskontexten und unter Berücksichtigung der eher gering ausgeprägten Sensibilität der Sachfachdidaktiken für die sprachliche Dimension des Lehrens und Lernens istnicht zu erwarten, dass der Erwerb von Textkompetenzen allein durch die Kanonisierung von Operatoren gesteuert werden kann. Vielmehr ist die disziplinäre Aufgabenkultur dergestalt weiterzuentwickeln, dass sich die Handlungsanweisungen von Operatoren nicht nur auf Fachinhalte und kognitive Prozesse beziehen, sondern das sprachlichtextuelle Zielprodukt und ggfs. die Schrittigkeit seiner Erarbeitung durch Angaben zu Textsorte, Umfang und Verwendungszweck in für Lernende verständlicher Weise konkretisieren.
1 Abitur NRW Physik, https://www.standardsicherung.schulministerium.nrw.de/cms/zentralabitur-wbk/faecher/getfile.php?file=2329 [ 04.03.2019].
Literatur
Beese, M. & Siems, M. (2015). Fachsprache konkret: Zentrale Elemente von Sprache im textsorten- und operatorenbasierten Unterricht in den Naturwissenschaften. InC. Benholz, M. Frank & E. Gürsoy (Hrsg.),Deutsch als Zweitsprache in allen Fächern. Konzepte für Lehrerbildung und Unterricht (S. 93–104). Stuttgart: Klett/Fillibach.
Donnerhack, S., Berndt, A., Thürmann, E. & Vollmer, H.J. (2013). Bildungssprachliche Kompetenzerwartungen für den Mittleren Schulabschluss – am Beispiel des Faches Evangelische Religion. In M. Becker-Mrotzek, K. Schramm, E. Thürmann & H.J. Vollmer (Hrsg.), Sprache im Fach. Sprachlichkeit und fachliches Lernen(S. 381–400). Münster: Waxmann.
Krathwohl, D. (2002). A Revision of Bloom‘s Taxonomy: An Overview. Theory Into Practice, 41/4. https://www.depauw.edu/files/resources/krathwohl.pdf[04.03.2019].
Sorger, B. & Reitbrecht, S. (2018). Operatoren als Marker der Kompetenzorientierung. https://www.researchgate.net/publication/325059673_Operatoren_als_Marker_der_Kompetenzorientierung_In_RE-Source_12018_httpsjournalph-noeacatindexph-presourceissueview24 [04.03.2019].
Vollmer, H.J. & Thürmann, E. (2010). Zur Sprachlichkeit des Fachlernens: Modellierung eines Referenzrahmens für Deutsch als Zweitsprache. In B. Ahrenholz (Hrsg.), Fachunterricht und Deutsch als Zweitsprache(S. 107–132). Tübingen: Narr Francke Attempto.



